Wir überwintern am Platz an der Sonne – Hameln siegt in Wolfenbüttel

Aus der Gedankenwelt eines Schachspielers…

Pünktlich um 08:15 Uhr stand ich am vorgegebenen Treffpunkt und musste überrascht feststellen, dass nur unsere Schachkameraden der Dritten vor Ort waren. Hatte ich mich mit der Uhrzeit vertan oder der falsche Wochentag? Nein, einige Minuten später kam zumindest Kai angerauscht. Der Rest der Truppe kam dann etwas später. Das müssen wir wohl noch mal üben. 😉 Da auch unsere Dritte Mannschaft in Wolfenbüttel antreten sollte, nahm ich Andreas mit und holte Adrian und Yannick aus Afferde ab. Der rote Blitz hatte sich dann schnell ins Schlafmobil transformiert. Keine 5 Minuten und unser Youngster war im Land der Träume. Da hatte sich wohl jemand ganz intensiv vorbereitet. 😉 Sehr pünktlich kamen wir dann alle im Spiellokal an und konnten dort die restliche Mitspieler begrüßen, die direkt hingefahren waren. Ein kurzer Blick auf die gegnerische Aufstellung verriet, dass wir an fünf Brettern nominell stärker waren. Doch wie sage ich immer: „Die DWZ spielt kein Schach.“

Die Aufstellung lautete:

C. Wolfenbüttel – Hamelner SV
1 FM Tonndorf, Matthias (2228) – (2295) FM Bode, Wilfried
2 Erdogan, Ugur (2192) – (2110) van Son, Lutz
3 CM Oppitz, Peter (2081) – (2077) Renner, Kai
4 Prof. Dr. Kraft, Karl-Heinz (2026) – (1969) Schmidt, Dennis
5 Bilawer, Andreas (2012) – (2168) FM David, Adrian
6 Müller, Willi (1926) – (2086) Dr. Gerstmann, Frank
7 Klettke, Wolfgang (1902) – (1932) Koch, Yannick
8 Zozulin, Ruslan (1745) – (1930) Konczak, Carsten

So fing ein ziemlich entspannter Wettkampf an, zumindest für meine Mannschaftskameraden.

Wilfried musste gegen einen seiner Lieblingsgegner antreten. Eine Bilanz von +6 verhieß eine beeindruckende Vorstellung sollte folgen. Die ersten Züge sahen dann auch sehr vielversprechend aus. Sein Gegenüber rochierte schnell kurz und Wilfried hätte mit einer langen Rochade einen sehr interessanten Bauernsturmwettlauf starten können. Doch diesmal ließ er die gefährlichen Waffen zuhause. Es wurde nur kurz mal mit den Säbeln geraschelt und dann Remis vereinbart.
0,5:0,5

Yannick hatte wieder seine Leibvariante aufs Brett bekommen. Dazu war die Stunde Schlafenszeit in meinem Wagen sehr belebend für seinen Geist gewesen. Wie aus einem Guss spielte der Rattenfänger und es war eigentlich klar, es konnte zum Schluss nur ein Ergebnis dabei rauskommen. Als dann noch sein Turm in die gegnerische 7.Reihe eindrang brachen alle Dämme. Gut, mit ein wenig Unterstützung des Heimspielers wurde die Partie dann schnell siegreich beendet.
1,5:0,5

Nach einem verheißungsvollen Beginn ließ Adrian ein wenig Luft in seine Stellung. Der leichte Vorteil wechselte die Seite ohne das wirklich Gefahr aufkam. So wurde schnell Remis vereinbart, bevor noch etwas Schlimmeres passieren konnte.
2,0:1,0

Die restlichen fünf Partien standen sehr unterschiedlich. Meine Stellung war ein einzige Katastrophe und innerlich hatte ich schon mit der Partie abgeschlossen. Kai stand deutlich besser, Dennis, Carsten und Frank hatten einen leichten positionellen Vorteil. Es sah nach einem knappen Sieg für uns aus. Doch es sollte anders kommen.

Carsten kam gut aus der Eröffnung und machte Druck auf einen schwachen Bauern. Es wurden die Position der Figuren verändern und weiter seine Stellung verbessert. Das Remisangebot vom Gegner wurden dann nach Rücksprache angenommen. Die anderen Bretter standen noch besser und zum Mannschaftssieg, sollte der halbe Punkt reichen. Gut gemacht.
2,5:1,5

Da hatte wohl Dennis zu viel bei den Partien von Igor abgeschaut. So eine Kuddelmuddel-Stellung hatte ich kaum von ihm erwartet. Der Läufer auf e6 versperrte seinen e-Bauern, der Springer machte eine interessante Wanderung von f6 – h5 und dann g7, damit sein Läufer auf f8 auch wirklich nicht angegriffen werden konnte. Der König blieb in der Mitte und noch den Turm nach g8 geschoben. Aber das schien alles irgendwie doch noch Sinn zu machen. Auf jeden Fall konnte sein Bauernsturm am Damenflügel den gegnerische Bauernwall brechen und mit Dame und Turm wurde der Monarch dann erlegt.
3,5:1,5

Bei Frank entwickelt sich schnell ein sehr intensiver Kampf um die Initiative. Dabei konnte Frank sich das Läuferpaar sichern und die Stellung öffnen. Königssicherheit wurde auf beiden Seiten dabei kleingeschrieben, wobei Frank’s Monarch ein wenig besser stand. In einer kniffeligen Stellung überschritt sein Gegner die Zeit. Die Stellung war leicht besser für unsere Seite gewesen, aber gut, so hatten wir den Wettkampf schon gewonnen.
4,5:1,5

Der Wettkampf war für uns gewonnen. Nun kam es nur noch auf die Höhe an. Meine Stellung war ein Totalschaden, Kai hatte ein gewonnenes Endspiel auf dem Brett gehabt.

Eine sehr grausame Eröffnung und Mittelspiel ließ recht schnell den Ausgang der Partie erahnen. Positionell habe ich die Stellung nicht verstanden und war gerade zu dankbar, als mein Gegner den Königsangriff einläutete. Mit der Kunst der Verteidigung bin ich ja vertraut. Doch wieder einmal kam es schlimmer als befürchtet. Nach einer schönen Kombination verlor ich die Qualität und einen Bauern. Die Stellung war fürchterlich, ich hatte nicht mal ein Hauch eines Gegenspiels. Da ich allerdings noch nicht aufgeben wollte spielte ich befreit auf. Was hatte ich noch zu verlieren? Nichts. Nun wollte es mein Gegner vielleicht ein wenig zu schön machen, statt einfach die Qualität zurückzugeben und meine Bauern am Damenflügel abzupflügen. Der Mattangriff wurde zum kleinen Bumerang und ich konnte die Qualität zurückgewinnen. Trotzdem war der Vorteil enorm und einige Ausmacherzüge wurden dann nicht gespielt. Statt dessen wurde ins Turmendspiel mit zwei Minusbauern abgewickelt. Viel Lust hatte ich ja nicht mehr, aber da Kai noch spielte brauchte ich ja nicht aufgeben. Also alles auf eine Karte gesetzt und ich schickte mein König an die Front. Es wurden Bauern auf beiden Seiten geschlagen bis zum Schluß ein Turmendspiel mit 5 vs 3 Bauern entstand. Mein Gegner hatte dabei die drei Freibauern auf dem Königsflügel und ich einen möglichen Freibauer am Damenflügel. Der einzige Vorteil auf meiner Seite war der wesentlich aktivere König. Also nach vorne geschaut und noch einen Bauern angeboten. Doch diesen vergifteten Landwirt wollte mein Gegenüber nicht nehmen und gab mir unmotiviere Schachgebote, die meinen König noch weiter ins Feindesland brachte. Ab hier hatte ich dann ein gutes Gefühl und gewann noch den a-Bauern. Nun war es ein abzählen, welche Bauern schneller laufen würde. Als mir dann eine Stellungswiederholung angeboten wurde, wollte ich mein Glück nicht überstrapazieren. Glücklicherweise war meine Stellungsbeurteilung richtet gewesen, auch Fritz hält das Endspiel für Remis. Schwein gehabt, oder wie man sagt: Ein verletzter Tiger ist ein besonders gefährlicher Tiger. 😉
5,0:2,0

Seitdem Kai am dritten Brett spielen darf, hat er seine Spielphilosophie umgestellt. Statt einfach nach 20 Zügen in Zeitnot zu kommen, hat Kai sein Zeitmanagment besser eingeteilt (vielleicht liegt es am neuen Zeitmodus) und warte einfach, bis die Mannschaft gewonnen hat oder kurz davor steht.
Obwohl diesmal hatte der Hamelner wirklich eine gute Eröffnung gewählt und eine kleine Ungenauigkeit seines Gegenüber schnell bestraft. Der schwache Bauer wurde solange belagert, bis er nicht mehr zu verteidigen war. Danach ins deutlich bessere Endspiel abgewickelt und den König aktiviert. Positiv war, dass sein Gegenüber recht zeitnah die Verteidigungsbemühungen einstellte und die Partie aufgab. Toller Sieg, gut gemacht.
6,0:2,0

Wow, Wolfenbüttel ist immer eine Reise wert. Mit diesem hohen 6:2-Sieg haben wir nun wahrlich nicht gerechnet. Aber wir nehmen ihn natürlich gerne mit nach Hameln. Nun sind wir alleiniger Tabellenführer und haben auch etliche Brettpunkte eingesammelt. Wow, sage ich da nur. Unsere Mannschaft spielte sich förmlich in einen Rausch. Doch die Gefahr lauert schon in der nächsten Runde gegen Göttingen. Wir müssen auch gegen die „vermeidlichen schwächeren“ Gegner unser bestes Schach zeigen. In den letzten Jahren hatten wir leider einiger Ausreißer nach unten bei solchen Wettkämpfe gehabt. Aber ich denke, dass unser Mannschaftsführerduo uns richtig einstellen wird.

Hier noch einige Statistiken aus der Landesliga:

Wir stellen die Mannschaft mit den besten eingesetzten Spielern.
Mit Kai haben wir den absoluten Topscorer der Landesliga mit 3 Punkten.
Mit 2,5 Punkten liegen auch Dennis, Adrian und Yannick im Spitzenfeld.
Von den 24 Partien haben wir nur zwei verloren.
Wir haben eine unglaubliche gute Weißquote von Sage und Schreibe 77%

Ganz zum Schluss wollte ich noch auf einen Wettkampf in der Parallelstaffel hinweisen:

MTV Tostedt 2½ : 5½ SV Lingen
IM Bokros, Albert (2491) 0 : 1 (2564) GM Epishin, Vladimir
GM Varga, Zoltan (2396) ½ : ½ (2363) GM Gutman, Lev
IM Szeberenyi, Adam (2375) ½ : ½ (2451) IM Gajek, Radoslav
Kneip, Jakob (2146) 0 : 1 (2349) IM Milenkovic, Mladen
Högy, Kevin (2267) ½ : ½ FM Milosevic, Alexandar
IM Szalanczy, Emil (2255) ½ : ½ (2174) FM Gazic, Josip
Feist, Mathias (1973) 0 : 1 (2031) FM Kandic, Milan
Wokittel, Ulf (2042) ½ : ½ Miljkovic, Jovana

Über Sinn oder Unsinn in der Landesliga mit einer Bundesligamannschaft antreten zu wollen, darf man selber urteilen.

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