Mit Lazarus und Houdini Hilfe gewinnen die Rattenfänger auch gegen Göttingen

Aus der Gedankenwelt eines Schachspielers…

An solchen Tagen werden Legenden geboren. Das war wirklich nichts für schwache Nerven. Aber es zeigt wieder einmal, wie ausgeglichen die Landesliga ist, dass jede Mannschaft die andere schlagen kann. Doch drehen wir die Uhr ein paar Tage zurück. An diesem verschneiten Sonntagmorgen traten unsere Gäste aus Göttingen als krasser Außenseiter in Hameln an. An allen acht Brettern hatten wir die DWZ-Oberhand (teilweise bis zu knapp 500 DWZ). Besonders die letzten drei Bretter musste man eigentlich als sichere Punkte für Hameln betrachten. Obwohl ich ja immer wieder sage: „Die DWZ spielt kein Schach.“ Aber wer hört denn schon auf den alten, dicken Mann?

Die Aufstellung lautete:

Hamelner SV – ESV Göttingen
1 FM Bode, Wilfried (2295) – (2061) Nolte, Gerhard
2 van Son, Lutz (2110) – (1961) Wilting, Alexander
3 Renner, Kai (2077) – (1960) Konetzke, Peter
4 Schmidt, Dennis (1969) – (1965) Braun, Ingram
5 FM David, Adrian (2168) – (1967) Werner, Martin
6 Dr. Gerstmann, Frank (2086) – (1621) Hake, Hartwig
7 Koch, Yannick (1932) – (1479) Prof. Dr. Otten
8 Kaiser, Gerhard (1986) – (1719) Krause, Maximilian

Nach knapp zwei Stunden Spielzeit konnte man bereits erste Ergebnisse erahnen.
Yannick und Gerhard standen schon ganz gut. Frank hatte sich sehr stark positioniert. Die restlichen Partien waren alle im Ausgleich bis auf Adrian, der schon nach knapp 6 Züge auf Totalschaden stand. Nun sollten die ersten drei Partien recht zeitnah beendet werden.

Ein Highlight spielt sich nicht gerade am Spitzenbrett ab. Wilfried spielte einige Züge und tauschte zwei Figuren ab. Dann machte Willi seinem Gegner ein Angebot, dass er unmöglich ablehnen konnte. Gut ich verstehe bei weitem nichts so viel von Schach wie Wilfried. Doch die Stellung war meiner Meinung im völligen Gleichgewicht. Da hätte man sicher noch einige Züge ohne Risiko weiterspielen können. Aber gut, so war die erste Schwarzpartie Remis ausgegangen.
0,5:0,5

Einen wahren schachlichen Offenbarungseid legte diesmal Adrian in der Eröffnung ab. Vermutlich hatte er die Eröffnung verwechselt (statt Sc6 musste natürlich Sf6 kommen), nach 6 Zügen stand er schon auf dem Acker. Rochaderecht verloren, König bleibt auf der offenen d-Linie, der gegnerische König kann einfach lang rochieren, d- und e-Linie werden von den gegnerischen Türmen besetzt. Es drohten Einschläge links wie rechts. Ach ja, und Adrian hatte schon eine Minusqualität. Was macht man dann als Fidemeister? Remis anbieten. Und dann geschah das, was ich in den letzten 2,5 Jahren schon häufiger gesehen haben. Egal wie schlecht Adrian stand, sobald er Remis anbot, fielen die Gegner auf die Knie und nahmen danken an. 😉 Ich glaube, ich kann mich an keine Partie erinnern, wo sein Gegner weiter gespielt hat. Es hat schon seine Vorteile FM zu sein.
1,0:1,0

Meine Partie war auch nicht gerade eine Musterpartie an Kampfgeist. Nach der Eröffnung, aus der ich keinen richtigen Vorteil hatte herausspielen können, sah ich, dass mein Gegner das Zentrum öffnen wollte. Die Stellungsanalyse fiel recht ernüchternd aus. Ich stand schlecht und nach der Zentrumsöffnung würde ich richtig schlecht stehen, da sein Läuferpaar wesentlich besser mitspielen würde als mein Pferdchengestüt. Also schnell mal nach einer Punkteteilung gefragt, die mein Gegenüber auch dankenswerterweise sofort annahm.
1,5:1,5

Grundsätzlich hatte ich nun ein gutes Gefühl. Das Remis von Adrian war sehr wichtig und die restlichen Partien sollten nicht verloren gehen. So meine Planung. Es folgte ein Blick über die Stellungen. Kai hatte den Ausgleich erreicht und stand brauchbar. Dennis’s Stellung war sehr dynamisch gewesen. Hier waren noch alle Ergebnisse möglich. Frank stand schon im höheren Sinn auf Gewinn, da machte ich mir gar keine Sorgen. Yannick hatte das Zentrum mit seinen hängenden Bauern besetzt. Auch dort sah ich keine Probleme. Und Gerhard hatte aus der Eröffnung heraus einen Bauern gewonnen. Gut, den konnte sein Gegner wiederbekommen, hätte aber dafür sein Läuferpaar aufgeben müssen. Also alles klar für den sicheren Heimsieg? Dann passierte das scheinbar Unmögliche – recht schnell hintereinander. Gerhard stellte einzügig die Figur ein und Yannick wollte es zu schön spielen statt den einfachen Gewinnweg und verlor durch die darauf folgende Abwicklung zwei Bauern. Mir fiel die Kinnlade auf den Tisch. Nun mussten Kai oder Dennis einen vollen Punkt holen, damit wir überhaupt noch ein 4,0:4,0 erreichen konnten.

Wie aus einem Guss spielte Frank. Erst mal seinem Gegenüber einen hässlichen Randdoppelbauern verpasst, dann im Zentrum die Bauern nach vorne gepeitscht. Den wichtigen Verteidigungsläufer abgetauscht und dann die Jagd auf den Monarchen eingeläutet. Der erste Bauer wurde abgefischt, der Gegenangriff der Dame locker abgewehrt. Dabei hatte Frank noch ein zweizügigen Damenfang übersehen. Aber das war nicht mehr wichtig. Der Mattangriff sollte schnell den vollen Punkt einbringen. Und so führten wir mit …
2,5:1,5

Kai hatte nach seiner verkorksten LEM einiges vor, um wieder eine Glanzpartie zu spielen. Nicht von ungefähr, war Kai ja der beste Punktejäger der Landesliga. Mit dynamischen Spiel schaffte der Rattenfänger schnell Ausgleich zu erzielen. Doch das reichte ja nicht, da wir virtuell schon zwei Verlustpartien hatten. Also alles auf Angriff gestellt, doch sein Gegner hatte auch einen guten Tag und konnte selber einen gefährlichen Angriff starten. Mit der dahin schmelzenden Bedenkzeit wurden die Damen getauscht und es wurde zum Leichtfigurenendspiel abgewickelt. Hier gab es dann tatsächlich einmal die Möglichkeit für Kai entweder einen entfernten Freibauern zu bekommen oder seinen Läufer so gut zu positionieren, dass er den gegnerischen Springer beherrschen konnte. Leider wurden beide Optionen nicht wahrgenommen und so konnte sein Gegenüber eine Festung aufbauen, die man nicht mehr knacken konnte. Daher …
3,0:2,0

Nun Gerhard musste sich scheinbar an die Startzeiten der Landesliga gewöhnen. Aber noch rechtzeitig konnte seine Partie beginnen. Schnell konnte Gerd einen leichten positionellen Vorteil erspielen. Sein Gegner opferte einen Bauern für Spiel und das Läuferpaar. Nun hieß es seine Figuren richtig zu positionieren, da Gerd’s Streitkräfte ein wenig an Platzmangel litten. Doch alles im guten Rahmen, alles in Ordnung bis … ja, bis Gerd tatsächlich seinen Springer einzügig auf e4 einstellte. Völlig geschockt, wollte er schon aufgeben. Doch wer Gerhard kennt, der weiß, dass er alles für das Team gibt und so versuchten seine Figuren einen Angriff auf den feindlichen König. Ok, es war ein sehr überschaubarer Angriff, der auch gleich abgeschlagen wurde. Aber immerhin konnte Gerd einen zweiten Bauern gewinnen. Nun war sein Gegner dran. Was soll ich sagen … der Turm stand auf der 2. Reihe, die Dame auf der langen Diagonale und drohte Matt auf g2. Nur Gerd’s Dame konnte das Feld verteidigen. Mit einem simplen Läuferzug hätte man die Dame ablenken können. Entweder Matt oder Damengewinn. Oder wie Fritz meinte: -22 Bauern bzw. Matt in 14. Aber statt dessen wurden die Damen und ein Turm getauscht. Bisher konnte nur Lazerus von den Toten wieder kommen, bis Sonntag. Nachdem die Mattgefahr gebannt war, wuchs der Kampfgeist in Gerd. Mit einem Sturmlauf des Königs über den halben Platz wurde der dritte Bauer gewonnen. Das Endspiel T + 4 Bauern vs. T, L + 1 Bauern konnte eigentlich nur noch Gerd gewinnen, da drei seiner Bauern verbunden waren. Hier gab es tatsächlich noch mal die Möglichkeit, den letzten Bauern zu gewinnen. Aber auch Gerd wollte es zu schön spielen. Ich sage immer wieder: Play it simple. So ging ein Bauer verloren und das Endspiel neigte sich schnell dem Remis zu.
3,5:2,5

Nun reichte schon ein Unentschieden, damit wir unser Minimalziel das 4:4 erreichen konnten. Dennis spielte eine sehr intensive Partie. Beide Seiten verbrauchten eine Menge Bedenkzeit. Dabei opferte Dennis einen Bauern, um auf den weißen Feldern mehr Kontrolle zu bekommen. Dann gab es hier und da einige kleinere Möglichkeiten, wie Dennis zum leichten Vorteil kommen konnte. Leider wurden alle ausgelassen. Stattdessen wurde bis auf Dame und eine Leichtfigur alles getauscht. Für den Minusbauern hatte der Hamelner allerdings noch einen sehr starken Freibauern, der unblockiert war. Trotz aller zeitlichen Bemühungen, konnte Dennis keinen geeigneten Gewinnplan finden und ließ sich auf das gegnerische Dauerschach ein. Aber immerhin – wir hatten unsere 4 Punkte im Sack.
4,0:3,0

Nun war die Stunde des Zauberers Houdini Yannick angebrochen. Alles fing gut an. Die Eröffnungsbehandlung war gut und schnell konnten seine Bauern das Zentrum besetzen. Gut, das Bauernpaar hing ein wenig in der Luft, aber seine Figuren standen schon ganz brauchbar. nach eine schönen Kombination verpasste Yannick seinem Gegner einen hässlichen Doppelbauern auf der f-Linie. Nun war die Köngissicherheit schon stark gefährdet. Doch wie weiterspielen? Play it simple oder „Schön spielen ohne echte Drohung“ Yannick wählte das falsche Damenfeld, statt seinen h-Bauern vor dem Einschlag zu schützen und einfach danach seine Streitkräfte in Richtung h2 zu bringen wurde die Dame auf f4 geparkt. Mit dem Läufereinschlag auf h7 verlor Yannick erst einen Bauern und nach Df5 wurde sein Angriff pulverisiert, da der Damentausch nicht mehr vernünftig abzuwenden war. Nun konnte sein Gegner sogar noch die Qualität gewinnen, doch begnügte er sich nur mit einem Bauern und dem Damentausch. Danach war die Stellung um. Wie Fritz meinte – 3 Bauern. Im Doppelturmendspiel mit einer Leichtfigur und zwei Minusbauern hat man wirklich keinen Spaß mehr. Weil Yannick’s König auch irgendwie verdächtig auf Matt stand. Dazu musste er auch noch die 7. Reihe beschützen und aufpassen, dass nicht weiteres Material getauscht wurde. Doch der Göttinger Spieler fand dann wirklich nicht mehr die besten Züge. Erst mal sicherten seine Streitkräfte seine 1. und 2. Reihe ab. Statt sich einen Freibauern am Damenflügel zu bilden wurden die Figuren immer wieder komisch hin und her gezogen. Nicht, dass Yannick einen Vorteil daraus ziehen konnte. Seine Stellung war einfach nur schlecht, egal wohin sein Gegner die Figuren zog. Dann wurde noch ein Turm getauscht und ein Bauer am Königsflügel. Nun setzte unser junger Houdini alles auf eine Karte und tatsächlich – nach dem Turmopfer lief der König in die Springergabel. Da kam Jubel im Hamelner Lager auf. Doch noch musste Yannick ein Problem lösen. Der gegnerische König lief an den a-Bauern und gewann ihn. Nun musste sein Springer diesen Randbauern aufhalten. Doch alles wurde berechnet und der Springer hatte auch genug Platz zum manövrieren. So konnte das nicht mehr geglaubte Remis erzielt werden.
4,5:3,5

4,5:3,5 – das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Gut, in der Vergangenheit hatten wir auch schon mal mehr als genug Pech (oder Unvermögen). Da hat uns die Glücksgöttin Fortuna geküsst, … mehrfach. Doch wie sagt man, mit solchen Duselsiegen wird man Meister und das wollen wir ja schließlich werden. Schon in der nächsten Runde steht mit Salzgitter der nächste schwere Gegner an. Nicht zu vergessen, letztes Jahr haben wir gegen sie verloren. Nun müssen wir es diese Saison besser machen. Noch 9 MP und wir sind Meister. 🙂

3 Kommentare

  1. Lutz, Dankeschön für Deinen Bericht, der jeden Leser mitleiden lässt!

    „mit solchen Duselsiegen wird man Meister“
    Aus hannoverscher Sicht kann ich das bestätigen – Du brauchst „nur“ die Konstanz, ein 4,5 nach dem nächsten einzusammeln.

    Und Deine zweite Sicht finde ich auch korrekt: Jeder Gegner kann zum Stolperstein werden – JEDER! Die Liga bleibt dank der Konkurrenz auch nach wie vor spannend! Ich bin gespannt, wer den Platz nach 9 Spieltagen den Platz an der Sonne belegt.

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