Der Platz an der Sonne

Aus dem Tagebuch eines Mannschaftsführers…

Das erste Spiel im neuen Jahr stand an und ich fragte mich, wie meine Jungs wohl über die Feiertage gekommen waren. Fast hätten wir in Bestbesetzung gespielt, doch leider sagte Reinhard ab. Allerdings konnte ich Stephan für diesen wichtigen Wettkampf gewinnen und wir traten in der Aufstellung Wilfried, Friedmar, Kai, Adrian, Dennis, Lutz, Igor und Stephan an.

Bei der LEM waren ja einige Spieler des HSV am Start – mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Dennis konnte im A-Turnier mit 4 Punkten nicht gerade glänzen. Das Abschneiden im Meisterturnier war dafür umso erfreulicher, da Kai mit 4,5 Punkten Vize Niedersachsenmeister und Wilfried, ebenfalls mit 4,5 Punkten, Dritter wurde. Das verhieß Gutes, besonders da Kai einige sehr markige Sprüche vor dem Mannschaftskampf von sich gab. Was sollte da noch schiefgehen?

Ich zog mein neues blaues Schachsweatshirt an, holte Igor ab und fuhr zum Spiellokal…

Wunderbar, das Spiellokal war schon aufgeschlossen und da beim Training am Samstagabend schon die Bretter aufgebaut wurden, mussten nur noch die Uhren gestellt werden. Zu meiner Überraschung standen diese schon vorbereitet mit der korrekten Uhrzeit (und Modus) an den Brettern. Der Schiedsrichter war einige Minuten vorher angekommen und hatte bereits alles vorbereitet – guter Mann. Ein kurzer Blick auf die Uhr 10:45 Uhr – wo war der Rest der Mannschaft? Es dauerte nicht lange und schon trafen die ersten Mitspieler ein. Um 10:55 Uhr waren wir dann komplett. Super – da hat meine letzte Ansprache wohl Wirkung gezeigt. Jetzt fehlten nur noch unsere Gegner. Einen nervösen fremden Spieler konnte ich schon ausmachen. Wie sich herausstellte verbrachte der Spieler einige Urlaubstage in Deutschland und reiste somit alleine an. Der Rest der Truppe war noch unterwegs. Telefonisch wurde die Aufstellung durchgegeben und einige Minuten später standen die Spieler aus Esens auch schon im Spiellokal. Wunderbar – dann konnte es ja losgehen. Schnell mal den Namen meines Gegners notiert und schon Platz genommen.

Die Aufstellung lautete:

Hamelner SV – SV Esens
2346 Bode, Wilfried – Hoeksema, Hendrik 2349
2251 Schirm, Friedmar – Geurink, Jasper 2342
2186 Renner, Kai – Kodentsov, Grigori 2278
2287 David, Adrian – Mostertman, Milan 2250
2063 Schmidt, Dennis – Boer, Alef 2148
2078 Van Son, Lutz – Slagter, David 2141
2051 Belov, Igor – Kobs, Stephan 1999
2207 Rust, Stephan – Wuebbenhorst, Oke 1825 DWZ

Die Spieler aus Esens hatten einen Elo-Schnitt von 2167, wir einen Schnitt von 2184. Also alles ziemlich ausgeglichen. Nach einer kurzen Ansprache gab der Schiedsrichter die Bretter frei. Irgendetwas stimmte aber nicht – ich saß alleine am Brett, genauso wie Stephan. Eine Weile blieb ich still sitzen, bis mich SF Kobs ansprach und meinte, dass sie nur zu Sechst angereist sind. Na bravo! So früh aufgestanden, um nun kampflos zu gewinnen *grummel*. Immerhin es war ein Heimkampf und wir lagen schnell mit 2:0 vorne. Das sollte doch eigentlich die restlichen Spieler beruhigen.

In den ersten drei Stunden passierte nicht so viel. Wilfried kam schlecht aus der Eröffnung, dafür eroberten Adrian und Igor schnell einen Mehrbauern. Das erste Highlight sollte dann aber Dennis setzen. Ein Feuerwerk wurde nicht gerade abgebrannt, doch im späten Mittelspiel opferte Dennis einen Bauern, um mit Dame und Turm dem feindlichen König auf die Pelle zu rücken. Doch der Monarch hatte sich anscheinend sicher auf h3 verschanzt. Also musste der Dosenöffner angesetzt werden. Mit einem Läuferzug wurde ein Turmopfer mit späterem Matt vorbereitet. Allerdings hatte der Gegner die Abwicklung gesehen und gab ein Zwischenschach mit der Dame. Der Turm musste zurück. Dame zieht, Turm zieht, Schach – Turm wieder zurück und Dame zurück. „Aha“ dachte ich, nun macht Dennis Remis. Doch Dennis lies seine Zeit laufen. 10 Minuten, 5 Minuten, 3 Minuten, 2 Minuten, 1 Minute, 45 Sekunden, 30 Sekunden, 15 Sekunden, 10 Sekunden … 9, 8, 7 … und Dennis zog seinen Bauern. Einen Bauern? Gut, es standen dank der Bedenkzeitregelung wieder 37 Sekunden auf der Uhr und ich dachte nur: „Hoffentlich hat Dennis das richtig berechnet.“ Es waren noch über 10 Züge zu spielen und auf der generischen Uhr standen satte 24 Minuten. Die gegnerischen Figuren standen komisch und versperrten sich gegenseitig den Weg – der Turm am Damenflügel stand schlecht und spielte nicht wirklich mit. Doch schon flog der Springer heran. Wieder rann die Zeit herunter und Dennis spielte den nächsten Bauern nach vorne. Von da an konnte ich erahnen was Dennis vorhatte. Mit den Bauern wollte er den König aus dem Versteck locken. Und tatsächlich, nach wenigen Zügen war der gegnerisch König erlegt und wir führten 3:0. Ufff… Glücklicherweise war das die aufregendste Phase des Wettkampfes. Ab da an hatte ich einen schönen normalen Herzschlag.

Vom amtierenden Vereinsmeister und Vize Niedersachsenmeister Kai konnte man folgendes berichten: Von Anfang an musste Kai seinen langrochierten König verteidigen. Da sein Gegner seinen Monarchen in der Mitte stehen ließ, war das Gegenspiel von Kai recht überschaubar. Allerdings muss man erwähnen, dass der Hamelner sich sehr geschickt verteidigte und sehr schöne Verteidigungszüge fand. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir schon im 20. Zug, dass es wieder ein Zeitnotduell geben würde. Als Wiederholungstäter sollte es Kai eigentlich wissen – also, dass er sich nicht zu viel Zeit lassen sollte. Doch es passierte das, was leider so häufig passiert, wenn Kai in Zeitnot ist – er überschritt die Zeit. Man oh man – war das überflüssig. Es zeigte sich erneut, dass Kai Vizemeister im „Normalschach“ geworden ist und nicht im Blitzschach!! 3:1

Igor machte das irgendwie besser. Schon alleine mit den 30 Minuten mehr Zeit, die er auf der Uhr hatte. Im Mittelspiel konnte Igor einen Bauern abfischen und mit einem schönen Turmeinschlag einen zweiten Bauern gewinnen. Der dritte Bauer wurde ebenfalls ohne große Kommentare mitgenommen. Danach war Technik gefragt – das Gegenspiel im Keim erstickt und sicher gewonnen. 4:1 Toll – schon einen Mannschaftspunkt im Sack – zwei bessere Stellungen auf den Brettern, nur Wilfried machte mir Sorgen.

Adrian hatte eine schöne Eröffnung gewählt und baute seinen Vorteil kontinuierlich aus. Das sah man auch am Zeitverbrauch seines Gegners. Die kurze gegnerische Bauernattacke am Königsflügel endete mit einem Bauern gewinn für Adrian. Alles schien auf einen vollen Punkt für Hameln zu deuten. Mit einem geschickten Turmopfer auf der Grundreihe läutete der Spieler aus Esens seine Schlussoffensive ein – doch Adrian konterte wirklich geschickt, gab ein tolles Zwischenschach und wickelte zum gewonnenen Endspiel ab. Also zumindest viele meinten, dass es für Adrian gewonnen sei.
Allerdings hatte sein Gegenüber zwei verbundene Freibauern… Ich war nur 15 Minuten im Analyseraum, doch als ich zurück kam stellte Adrian gerade die in die Grundstellung zurück. Er hatte verloren … ufffff … das kam ein wenig überraschend – gut (oder auch nicht), da muss ich mir die Partie erst mal ansehen, um zu verstehen, was passiert war. 4:2

Doch der entscheidende fünfte Punkt sollte nicht lange auf sich warten lassen. Friedmar hatte eine tolle Eröffnungsvariante rausgesucht und spielte am Damenflügel groß auf. Es entstand ein Schwerfigurenendspiel mit zwei Freibauen am Damenflügel, der Gegner hatte einen Doppelbauern auf der e-Linie. Es wurde noch mal kräftig getauscht bis ein einfaches Turmendspiel entstand. Friedmars Freibauern konnte der gegnerische Turm erst auf a7 stoppen. Das Endspiel war eigentlich nicht mehr zu verlieren. Aber es kam noch besser – das Endspiel behandelte Friedmar deutlich besser als sein Gegner und stellte eine Art Zugzwangstellung auf. Der gegnerische König musste den Rückwärtsgang einlegen und sein König drang in die Bauernstellung ein. Klarer Gewinn – 5:2. Wir hatten schon wieder gewonnen – das Leben kann so schön sein.

Unser Spitzenbrett hatte es mit einem starken niederländischen IM zu tun gehabt und kam schlecht aus der Eröffnung. Die Qualen gingen dann bis ins Mittelspiel, wo Wilfried einen Bauern opferte. Doch die Stellung wurde nicht besser. Im Springer-/ Damenendspiel verfeuerte Willi noch einen Bauern, um selber einen Freibauern zu bekommen. Einige Züge später war ein Damenendspiel mit 2 Minusbauern entstanden – doch Willis Dame jagte den König ums Brett herum. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass es Dauerschach war – doch das muss wohl später Fritz entscheiden. Mit abnehmender Zeit schaffte es der Gegner seine Dame und König so gut zu platzieren, dass kein Schach mehr gegeben werden konnte und schob die Freibauern nach vorne. 5:3 Nicht so tragisch, wir hatte ja trotzdem gewonnen.

Tja, da Göttingen auch nur 5:3 gewann, bleiben wir tatsächlich am Platz an der Sonne und können im nächsten Heimspiel gegen Lister Turm als Tabellenführer antreten. Es scheint ja niemanden zu belasten – also ran an den Gegner. Insgesamt betrachtet war es für mich ein relativ entspannter Mannschaftskampf – so etwas soll es tatsächlich auch geben. 🙂

6 Kommentare

  1. Ach herrlich… So etwas liest man sich doch gerne durch. Vielleicht gibt es ja irgendwann mal die „gesammelten Werke“ von Lutz van Son… 🙂

  2. Ja, sehr schön und toller Bericht. Wir wollen Euch alle in der nächsten Saison in der 2. Bundesliga kämpfen sehen. Und dann geht es gegen Robert Hübner … :-).

    Wer übrigens ist Max Meesen ? Bitte mal offenlegen. Hört sich nach einem Pseudonym an 🙂

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