Grand ohne Dreien – die Rattenfänger verlieren beim Listigen Turm

Aus dem Tagebuch eines Schachspielers…

Ein kleiner Sprung in meine Delorean-Zeitmaschine und mal 30 Jahre in die Zukunft gereist. Ich besuche Kai, der mir dann die neuste Version von Civilization 10 zeigt. Wir sitzen in unseren Schaukelstühlen und schauen uns die Fußball-Bundesliga an. Dann fragt mich Kai: „Was war für dich das bedeutsamste Datum der Geschichte?“ Und während ich grübel, schmeißt Kai einige Ereignisse ein. „Die Mondlandung, am 21 Juli 1969?“ „Nein, bestimmt nicht.“ „Vielleicht der 9. November 1989? Der Fall, der Berliner Bauer.“ „Mhhh, nein auch nicht.“ „Da wäre noch der 12. Oktober 1492 und die Entdeckung Amerikas.“ „Nein, aber nun weiß ich es. Es war der 7.April 2019!“ Mit großen Augen schaut mich Kai an und fragt: „Und was ist an diesem Datum so bedeutsames geschehen?“ „Na, das ist einfach. Ich durfte zum ersten Mal in der Geschichte in der Oberliga am Spitzenbrett für unseren Verein auflaufen!“

Zurück in die Gegenwart. An diesem Spieltag hatten wir den Ausfall von Adrian, Matthias und Wilfried zu beklagen. Ein herber Verlust, aber manche Menschen müssen auch mal am Sonntag arbeiten. Daher rekrutierten wir einige Spieler aus der zweiten Mannschaft. Felix, Igor und unser Nachwuchsspieler Ole durften ran. Die Aufstellung sah ziemlich abenteuerlich aus, und wie beim Skat würde ein verlorener Grand ohne Dreien einiges kosten. Nur gut, dass schon lange klar war, dass es nur noch um die goldene Ananas ging. Trotzdem wollten wir uns so teuer wie möglich verkaufen.

Am Samstag informierte mich dann Kai, dass am Sonntag der Hannover-Marathon stattfinden wird. Die Strecke führt direkt am Spiellokal vorbei und etliche Straßen in Hannover werden für den Lauf gesperrt. Nun mussten meine erlernten Bundeswehrfähigkeiten (re)aktiviert werden. Wie kommen wir mit dem geringsten Aufwand schnellstmöglich in die Nähe des Spiellokals? Man musste davon ausgehen, dass es noch weniger Parkmöglichkeiten geben wird als normal – und die waren ja so schon knapp. Ich tüftelte also einen Plan aus und besprach ihn mit Kai. Alles klar, aber wir würden unseren Treffpunkt noch mal um 15 Minuten vorverlegen müssen. Also alle Mitspieler informieren.

Am Sonntag wurden alle Spieler am Treffpunkt abgeholt und schon ging es in Richtung Landeshauptstadt. Anders als sonst nahmen wir die Autobahn, damit wir von Norden her in Hannover einfallen konnten. Schon bald trafen wir auf die ersten gesperrten Straßen und mit Hilfe meines Navigators Yannick wurden wir in die Nähe des Spiellokal geführt. Nun mussten wir einen Parkplatz finden. *Pfeif* Und ich musste tatsächlich im Halteverbot meinen Wagen abstellen. Dann schnell zur Marathon-Strecke, geschaut, dass kein Läufer kommt und husch über die Straße geflitzt. Eigentlich hätten wir für die Anfahrt schon einen Punkt verdient gehabt. 🙂

Ein Blick auf die Aufstellung versprach einen einseitigen Wettkampf. An allen Brettern waren wir zwischen 50 bis 300 ELO-Punkte unterlegen. Nun hieß es nicht vor Ehrfurcht erstarren. Und wie sage ich immer: „ELO-Zahlen spielen kein Schach.“ Also ran an die Partien OHNE Computerüberprüfung! Da ich mich die meiste Zeit um meine eigene Partie kümmern musste, habe ich den Rest nicht so verfolgen können.

HSK Lister Turm 5,5 : 2,5 Hamelner SV

1. 2288 FM Frank Buchenau 1 : 0 Lutz van Son 2150
2. 2237 FM Christian Polster ½ : ½ Kai Renner 2199
3. 2225 Rudi Hörstmann ½ : ½ Dennis Schmidt 2053
4. 2240 FM Martin Hörstmann 1 : 0 Dr. Frank Gerstmann 2120
5. 2275 Felix Hampel HSK ½ : ½ Yannick Koch 2105
6. 2271 Attila Aba Virag 1 : 0 Igor Belov 2055
7. 2190 Moritz Gentemann 0 : 1 Felix-Hagen Jacobi 2085
8. 2129 Jens Wolter 1 : 0 Ole Reichelt 1839

Kai kam eigentlich ganz gut aus der Eröffnung raus und kämpfte um die Initiative. Es wurden einige Leichtfiguren getauscht und auf keiner Seite war ein Vorteil ersichtlich. Daher wurde auf Punkteteilung entschieden.
0,5 – 0,5

Bei Ole kann man es schnell auf den Punkt bringen. Eröffnung ungenau gespielt und ein falschen Bauernzug gemacht – das brachte dann die positionelle Abrissstellung aufs Brett. Da half auch kein zappeln mehr.
0,5 – 1,5

Ich spielte eine solide Eröffnung und tauschte früh die Damen ab. Im nachfolgenden Positionskampf zog ich erst mal den Kürzeren und musste mich verteidigen. Doch meine Chance sollte zu Beginn des Endspiels kommen. Aber hier verfolgte ich den falschen Plan und musste bald die Partie aufgeben.
0,5 – 2,5

Frank hatte in der Eröffnung wieder eine wilde Stellung auf dem Brett. Sein Gegenüber schien dabei mehr Druck ausüben zu können. Doch auch der Hamelner hatte seine Chancen. Es folgte ein kurzer heftiger Angriff bei dem Frank eine Qualität verlor. Ein bisschen Gegenspiel war noch vorhanden, doch der Hannoveraner spielte es dann humorlos zu Ende. Keine Chance auf eine Punkteteilung.
0,5 – 3,5

Die Partie von Igor hatte ich immer für einen möglichen Punkt für uns ausgemacht. Es war eine tolle Partie, bei der Igor am Damenflügel angriff und gleichzeitig seinen Königsflügel verteidigen musste. Ohne genaue Computerberechnung ist nicht zu sagen, welcher Angriff besser vorgetragen wurde. Am Brett war es dann leider der Angriff seines Gegners. Schade, da war bestimmt mehr drin gewesen.
0,5 – 4,5

Yannick hatte es mit Mister 100% zu tun. Doch das ließ den Rattenfänger nicht erstarren und Yannick schoss aus allen Positionen. Nach einem Läuferopfer rückte er dem feindlichen Monarchen ziemlich auf die Pelle. Doch die gegnerische Dame konnte gerade noch rechtzeitig auf h8 verteidigen. Das Damenendspiel wog noch ein wenig hin und her, bis man sich dann auf ein Unentschieden geeinigt hatte. Ein tolles Ergebnis, Yannick.
1,0 – 5,0

Felix hatte seinen zweiten Einsatz in dieser Saison bei uns und lieferte wieder ab. Man muss natürlich auch eine gewisse Schmerzresistenz haben, um seine Stellungen zu ertragen. Glücklicherweise konnte der Heimspieler nicht viel mit der Eröffnung anfangen bzw. musste sich alle Züge mühevoll erarbeiten und verbrauchte somit viel Zeit. Das nutzte Felix sehr gut, in dem er vom Mittelspiel ins gewonnene Doppelturmendspiel abwickeln konnte. Das Endspiel wurde dann ganz sauber gespielt und ein wichtiger Ehrenpunkt ging an Hameln.
2,0 – 5,0

Dennis zeigte heute sein stärkstes Schach. Schon in der Eröffnung schlug der Rechner mit +4 bis +5 Bauern an. Dennis Truppen dominierten das Schlachtfeld und drückten den Gegner in die Defensive. Vielleicht hatte Dennis zu viele gute Möglichkeiten gehabt. Ein kleiner Denkfehler kostetet ihn vollkommen unnötig eine Qualitat. Aber die Stellung war immer noch so gut, das der Rattenfänger angreifen konnte. Nun schlug leider die Bedenkzeit zu. Dennis musste sich entscheiden, das Remis annehmen oder den Rest der Partie mit der Bonuszeit spielen. Da wurde das Remis zähneknierschend angenommen. Bitter, bitter… das war eigentlich ein voller Punkt.
2,5 – 5,5

Viel mehr war heute leider für uns nicht zu holen. Die Gastgeber hatten ihre Chancen besser genutzt und wir konnten unsere drei Stammspieler nicht ganz gleichwertig ersetzen.

Was ist noch in der Liga passiert?

Da gibt es nichts Neues zu berichten. Werder Bremen ist aufgestiegen. Hannover 96 steigt ab. Kirchweyhe und Lehrte werden aufsteigen. Die Liga wird bestimmt nicht schwächer. Sollte Werder Bremen 2 in der 2. Bundesliga bleiben, würde es wieder nur einen Absteiger geben. Das würden wir natürlich gerne sehen. Die Chancen sind da, wir müssen nur in den richtigen Wettkämpfen genug Punkte holen. 🙂

Was gibt es noch zu unserer 1. Mannschaft zu berichten?

Es haben nur zwei Stammspieler über 50% der Punkte geholt. Mannschaftsführer und Motivator Kai mit 5,5 Punkten aus 9 Partien und unser Topscorer Yannick mit 6 Punkten aus 9 Partien. Wie wird die Mannschaft nächstes Jahr aussehen? Schauen wir mal. Eines steht schon fest, Frank wird uns nach drei tollen Jahren wieder Richtung alte Heimat verlassen. Vielen Dank Frank für die Zeit, du warst ein toller Spieler und Mannschaftskollege und wir vermissen dich jetzt schon.

Daher suchen wir nun einen neuen Mitstreiter für unser Oberliga-Team. Ob es eine interne oder externe Lösung gibt, wir werden es sehen. Wer gerne mitspielen möchte, einfach bei uns melden.

Zum Schluss noch ein Foto, dass ich am Sonntag bekommen haben. BACK TO THE ROOTS. Wer kann die drei Spieler erkennen, die am Sonntag in der 1. Mannschaft mitgespielt haben. Das Bild ist allerdings schon ca. 25 Jahre alt. 🙂 Viel Spaß beim Raten. Zum Vergrőßern anklicken.

Wo sind die drei Spieler vom Sonntag?

7 Kommentare

  1. Herrlicher Bericht, Lutz!

    Und ein schöner Ausklang im Biergarten noch dazu. Auch noch einmal Danke, dass du trotz gesundheitlichen Einschränkungen für die Mannschaft angetreten und sogar gefahren bist!

    Meine Partie war wirklich schön. Auch wenn das Ergebnis dann am Ende nicht gestimmt hat, bin ich sehr zufrieden damit.

    Nächste Saison legen wir dann noch ne Schippe drauf. 😉

  2. Was war los? Drei Top-Spieler, die Sonntag (!) arbeiten mussten. Habe ich in 40 Jahren HSV nicht erlebt. Frank Gerstmann auf dem Absprung? Das ist, trotz durchwachsener Saison, ein starker Spieler, wie ich letztes Jahr feststellen musste. Ich finde, Ihr solltet in der nächsten Saison einem Jugendlichen eine Chance geben.
    (Leider kann ich mich nicht in Lutz‘ DeLorean setzen, 30 Jahre in die Vergangenheit reisen und meine Spielstärke aus 1989 wieder mit zurück bringen).
    Alles Gute nach HM, und außerdem hatte ich doch Recht: Der Abstieg kam eigentlich nie in Frage!

    Lothar

  3. UI – habe ja kaum Punkte verloren. 🙂 Und Yannick, im nächsten Jahr gibt es bestimmt nicht mehr das Mädchenbrett. Hast ja mehr DWZ als ich.

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