Zeitreise in die gute alte Zeit – die Vereinsmeisterschaft 1985/86

Das Sommerloch hat böse zugeschlagen und so fehlt ein neues frisches Thema. Da trifft es sich gut, dass ich eine alte Tabelle aus der Saison 1985/86 gefunden habe. Damals, die gute alte Zeit…

Mit zarten 16 Jahren und als frisch gekürter Jugendmeister des Hamelner SV (ja damals gab es noch so etwas mit 12 Teilnehmer) hatte ich die Qualifikation zur Vereinsmeisterschaft der A-Gruppe geschafft. Man wie habe ich mich damals gefreut. Anders als heute, wurde nur einmal im Jahr die Wertungszahl bekannt gegeben – ja die gute alte INGO-Zahl. Wie gebannt blätterte ich die August-Rochade-Zeitung auf und konnte meine neues Zahl von 166 bejubeln. Umgerechnet auf die DWZ war das 1512, wobei man noch erwähnen sollte, dass durch die DWZ-Inflation die Zahlen immer weiter nach oben getrieben wurden.

Mit Ingo 166 war ich einer der krassesten (schwächsten) Teilnehmer der A-Vereinsmeisterschaft die jemals teilgenommen hatten. Vergleichsweise mit Darmstadt 98 in der ablaufenden Fussball-Bundesliga-Saison. Schon vor der ersten Partie schaute ich mir die Tabellen an und rechnete aus, wie viele Punkte ich holen müsste, um nicht abzusteigen. Das war leider das übliche Endergebnis des Jugend- und auch Seniorenmeister der letzten Jahre gewesen. Mit der Auslosung hatte ich Glück gehabt, da ich gegen die vermutlichen Mitabstiegskandidaten gleich am Anfang spielen musste und so den motivationsnehmenden Niederlagen gegen unserer Spitzenspieler der ersten Mannschaft erstmal entgehen konnte.

So startete ich mit Remis gegen Carsten Tödter, Stephan Spieker, Uwe Durst und Kurt Pape. Erst danach musste ich gegen den ersten Spieler aus der Ersten heran. Schon damals war Peter Brunotte schnell einem Remis zugeneigt, wenn man nichts eingestellt hatte. Stolz wie Oskar konnte meinen ersten halben Punkte gegen einen Spieler unserer besten Mannschaft vermelden. Nun musste ich mich entscheiden, gegen wen meine Remisserie abreißen würde. Die Partie gegen Dirk Salzenberg verschob ich und Gerd Kaiser sollte mein nächster Gegner werden. Also eine Sache muss ich noch loswerden – ich konnte mich an keiner der Partien erinnern bis auf … die Partie gegen Gerd. Schon damals war Gerd gefürchtet bei den Aufsteigern, da er wenig Rücksicht auf die schwächere Spielstärke nahm und immer wieder böse Niederlagen verteilte. Nur zu gut konnte ich mich an die Vorsaison erinnern, in der er Andreas Krüger knapp 100 Züge im Endspiel quälte, bis dieser zusammenbrach.

Die Partie verlief recht hektisch, mit Chancen auf beiden Seiten. Als ich im Endspiel mich an einem Bauern vergriff, war eigentlich meine Stellung um, doch Gerd wickelte nicht optimal ins Läuferendspiel ab. Zwar war mein König in der Ecke eingeklemmt, doch hatte ich meinen Mehrbauern halten können. Nach 42 Züge wurde eine Hängepartie vereinbart. Hängepartie? Werden nun wohl die jüngeren Schachspieler fragen, was ist das? Nun nach einer gewissen Zugzahl, wurde die Partie abgebrochen die Partieformulare in einem Umschlag getan und später fortgesetzt. Gut, zuhause wurde dann analysiert. Nicht mit Houdine oder Fritz. Solche Programme gab es nicht. Ich weiß es noch wie heute, ich hatte meinen kleinen Mephisto Münchenrechner mit Sensorenschachbrett aufgestellt und die Stellung etliche Stunden analysiert. Das Ergebnis ein klares Remis. Mit stolzgeschwelter Brust nahm ich dann die Partie auf, im sicheren Glauben, das ich nicht verlieren könnte. Doch Gerd wollte einfach nicht Remis geben und zog seinen König hin und her und hoffte das ich einen Fehlzug einstreute. Die Stellung ist heute noch in meiner Gehirn-Festplatte eingebrannt, als er seinen König nach g2 spielte. Das war ein Zug den ich nicht berechnet hatte und schon sah ich, wie Gerd mich austempieren wollte. Innerlich brach ich zusammen, schlug mich selbst. Warum ich diesen naheliegenden Zug nicht berechnet? Nach diesen längsten 5 Minuten der Selbstgeißelung fing ich wieder zu rechnen an. Immer wieder versuchte ich eine Lösung zu finden – immer wieder kam ich zur selben Ergebnis, die Stellung war um. Ein letzter verzweifelter Versuch begann, warum habe ich Kg2 eigentlich immer ausgeschlossen? Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich konnte einfach Bauer e2 spielen und im nächsten Zug die Dame holen. So wurde tatsächlich meine Remisserie unterbrochen, doch anders als ich es gedacht hatte. Tatsächlich hatte ich meine erste Partie gegen einen Starspieler der ersten Mannschaft gewonnen. 🙂

Es folgten noch zwei Siege gegen Werner Braun und Friedel Schwekendiek und in der drittletzten Runde kam es tatsächlich zur Spitzenspiel gegen Jörg Pape um die Meisterschaft. Gut, in dieser Partie wurde ich böse verhauen. War aber kein Beinbruch, da ich schon mein Hauptziel, den Abstieg schon verhindert, geschafft hatte. Meine Nachholrunde gegen Dirk Salzenberg endete dann auch noch Remis und in der Schlussrunde trat ich gegen Lothar Karwatt an. Eigentlich war die Partie auch vollkommen ausgeglichen, doch wollte Lothar einfach kein Remis gegen einen Spieler der Dritten machen. Hat er auch geschafft, da ich ihm dann das Endspiel um die Ohren gehauen habe und gewann.

NameIngoDWZ123456789101112Ges.Pl.
Pape, J.872144x0,50,511110,511119,51
Durst, U.10020400,5x0,50,510,50110,5117,52
Salzenberg, D.11019600,50,5x0,50,5010,511117,53
van Son, L.166151200,50,5x110,50,50,50,51174
Kaiser, G.1052000000,50x11110,51175
Karwatt, L.105200000,5100x0,50,51110,566
Pape, K.11419280,5100,500,5x0,5010157
Brunotte, P.992048000,50,500,50,5x0,50,50,514,58
Spieker, St.14316960000,50010,5x0,50,5149
Tödter, C.157158400,500,50,5000,50,5x113,510
Schwekend., F.120188000000010,50,50x0311
Braun, W.1391728000000,500001x1,512

Mit sensationellen 7 Punkten aus 11 Partien gelang es mir Vierter zu werden. Wow was für ein klasse Turnier. Ich denke immer wieder gerne daran.

Aber zurück zur Gegenwart – auch heutzutage gibt es positive Nachrichten zu vermelden.
Nach der letzten Pokalauswertung habe ich es geschafft. Nach über 25 Jahren und etlichen Turnieren habe ich es geschafft. Jaaaaaa – ich habe Kai wieder überholt. 🙂

2 Kommentare

  1. Hallo Lutz,
    köstlich, köstlich. Das ist doch ‚mal ein Bericht. Katharina und ich haben am Boden gelegen, als wir das gelesen haben. Mehr davon.
    Gruß Andreas

  2. Was man so alles in alten Akten finden kann… Auch damals schon war ich also Remisangeboten aus Bequemlichkeit nicht abgeneigt? Ich möchte meine werten Gegner darauf hinweisen, dass ich jetzt aus Altersgründen gelegentlich Remisangebote überhöre und mich dann gegen meinen Willen durch die Partie zum Sieg quälen muss!

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