Taktik, Tragödie und Tabellenletzter – Die Leidenszeit der 1. Mannschaft geht weiter

Aus dem Tagebuch eines Mannschaftsführers…

Schon nach dem 2. Spieltag bekomme ich einen dicken Hals. Wie kann die Mannschaft so in die neue Saison starten? Doch drehen wir die Uhr wieder um ein paar Tage zurück.

Für unseren zweiten Wettkampf in der Landesliga hatte ich eine recht schlagkräftige Truppe an Bord. Sieben unserer Stammspieler hatten sich gemeldet – daneben konnte ich noch Stephan für einen Einsatz in der Ersten begeistern. Was sollte also schiefgehen? Am Sonntag gab ich jedenfalls Olli Bescheid, dass ich keinen weiteren Spieler aus der Zweiten benötigte. Am Montag begann jedoch das unverhoffte Unheil. Stephan sagte ab, da er am Sonntag arbeiten musste. Und ich dachte, dass Sonntagsarbeit wäre verboten. Mist! Also kurz Olli angerufen. Peter Brunotte stünde bereit, wenn er rechtzeitig fit werden würde. Also Peter angerufen – klar, er wollte spielen. Doch eine finale Zusage konnte Peter erst am Donnerstag/Freitag tätigen. Also hieß es wieder warten. Doch das Warten lohnte sich, am Freitag gab es die Zusage. Wieder ein Problem gelöst, doch das nächste Hindernis folgte. Die Deutsche Bahn würde am Wochenende streiken. Ärgerlich! Friedmar meldete sich und schilderte sein Problem. Also versicherte ich Friedmar, dass ich ihn abholen und später wieder nach Hause bringen würde…

Nach einer verkürzten Nacht holte ich Friedmar ab und fuhr zum Spiellokal. Gerd war sehr pünktlich vor Ort und hatte das Spiellokal aufgeschlossen. Sehr schön. Da am Samstag Dennis und Wilfried die Bretter aufgebaut hatten (sehr schön), musste ich nur noch die Uhren stellen und Partieformulare hinlegen. Alle Mitspieler waren dann ca. 5-10 Minuten vor Spielbeginn an den Brettern. So wünscht sich das der Mannschaftsführer. Leider ließen unsere Gäste ein wenig auf sich warten. So begann der Wettkampf mit 10-minütiger Verspätung.

Die Aufstellung lautete:

Hamelner SV – SC Wolfburg

Bode, Wilfried – Hänsel, Thomas
Schirm, Friedmar – Schmidt-Brauns, Joachim
Renner, Kai – Urban, Steffen
David, Adrian – Keßler, Marcel
van Son, Lutz – Jentsch, Dieter
Schmidt, Dennis – Loewner, Arnold
Kaiser, Gerhard – Degen, Wladimir
Brunotte, Peter – Rapin, Gerd

Bei sieben Brettern hatten unsere Spieler eine höhere DWZ – zwar manchmal nur minimal – dennoch gingen wir wieder als Favoriten in diesen Wettkampf. Doch wie sage ich immer: „DWZ-Zahlen spielen kein Schach.“ So sollte ein dramatischer Wettkampf beginnen.

Wilfried’s Partie könnte man am Besten so umschreiben: Beide Spieler setzten sich ans Brett und gaben sich die Hände. Schoben drei, vier Klötze übers Brett und eigneten sich Remis. Nur gut, dass es in unserer Liga keine Sofia-Regel gibt. 😉 Na gut, sein Gegner war schon recht gut und eine Schwarzpartie mit Remis am Anfang ist nicht das Schlechteste.
0,5:0,5

Unser Senior Peter baute sich am Anfang recht solide auf, beide Könige wurden auf unterschiedlichen Seiten rochiert und die Truppen entsprechend positioniert. Es wurde ein wenig mit den Säbeln gerasselt, bis man sich aufs Remis einigte. Gut so – ich glaube das war der erste halbe Punkt am Brett acht seit… *grübel* ich kann mich nicht mehr daran erinnern.
1,0:1,0

Nach diesen beiden Remis schaute ich mir mal die restlichen Stellungen an. Kai, Adrian und ich standen schon recht ordentlich, Dennis stand ausgeglichen, Friedmars Stellung war verwirrend und Gerhard hatte eine schwierige Stellung aufs Brett bekommen. Da war noch nichts entschieden – das würde eine knappe Kiste werden.

Aus der Eröffnung heraus hatte Gerhard eine durchaus brauchbare Stellung hinbekommen. Doch nach der Abwicklung ins Schwerfigurenendspiel sah man schnell seine Bauernschwächen. Erst ging ein Bauer verloren, dann konnte Gerd den Freibauern nicht mehr vernünftig stoppen. Der Rest war Technik.
1,0:2,0

Aus meiner Eröffnung kam ich ganz gut raus und konnte recht schnell die Initiative übernehmen. Der Angriff am Königsflügel war nicht existent und so konnte ich gut auf die gegnerischen Felder- und Bauernschwächen am Damenflügel spielen. Leider wollte weder ein Ausmacher noch ein richtig guter Plan kommen. Nach einem zu sorglosen Abtausch verflachte die Stellung und mein Vorteil war nicht mehr vorhanden. So wurde auch hier ein friedliches Ende beschlossen.
1,5:2,5

Nun kommen wir zu Kai, der wohl in seiner ersten schachlichen Krise steckt. In der Eröffnung spielte der Hamelner gut und konnte schnell positionelles Übergewicht bekommen. Sein Gegner bot ihm ein Bauernopfer auf b2 an. Was wissen wir über Bauernopfer auf b2? Genau, man muss wirklich sicher sein, dass es klappt. Nach einigen Zügen stand Kai weiterhin ganz gut, hatte seinen König in Sicherheit gebracht und hatte eben seinen Mehrbauer. Doch dann passierte das, was ich so schon so häufig moniert habe. Statt einfach zu spielen und einige schnelle Züge zu machen, musste Kai wieder seine Denkmaschine anschmeißen. Ergebnis – für die letzten 15 Züge hatte Kai wieder nur 5 Minuten gehabt. Die gegnerische Dame und Springer rückten seinem König auf die Pelle und Kai konnte keine vernünftige Verteidigung aufbauen. Die Stellung wurde förmlich ausradiert und die Figuren einfach weggenommen. Das war unnötig gewesen – doch das Problem ist bekannt.
1,5:3,5.

Wir lagen tatsächlich mit 1,5:3,5 zurück und mussten die restlichen drei Partien gewinnen. Kaum gedacht, schon bekam Dennis ein Remisangebot. Zwar hatte er wenig Zeit, doch die gegnerische Bauernstellung am Damenflügel war schlecht gewesen. Daher musste weitergespielt werden. Bei Adrian sah es schon die ganze Zeit gut aus, zwar noch keinen materiellen Vorteil, doch die Stellung gefiel mir sehr. Und Friedmar hatte eine heiß umkämpfte Stellung bei der noch alles passieren konnte. Sollten wir uns doch noch retten können?

Bei Adrian hatte ich am Anfang am meisten Hoffnung auf einen vollen Punkt. Schließlich sprachen +200 DWZ und eine Weißpartie für den Hamelner. Schon recht zügig konnte Adrian eine dominante Stellung aufbauen und drückte gegen das Zentrum. Außerdem musste sein Gegner immer wieder aufpassen, dass seine Dame ein benötigtes Fluchtfeld behielt. Die Stellung öffnete sich und die Bedenkzeit beim Gegner schmolz dahin. Knapp drei Minuten auf der Uhr und eine starke Angriffsstellung. Das sollte doch reichen. Doch anders als erwartet, konnte sein Gegner eine findige Verteidigung finden und startete einen Gegenangriff. Nach der Zeitkontrolle wurde auch hier auf Remis entschieden.
2,0:4,0

Eine heiße Partie lieferte wieder Friedmar. Der Vorteil wog immer hin und her, zwischenzeitlich war seine Dame auf h8 gefangen. Doch Friedmar trickste immer wieder und fand den richtigen Schlüsselzug, um seine Dame wieder zu befreien. Nach einem heftigen Schlagabtausch konnte er seinen Gegner niederringen. Wow, was für eine Partie.
3,0:4,0

Nun lag die Verantwortung auf den schmalen Schultern von Dennis. Aus der Eröffnung heraus konnte sich keine der beiden Seiten einen Vorteil erspielen. Dann konnte Dennis die gegnerische Bauernstruktur am Damenflügel deutlich schwächen. Auf einen isolierten a-Bauern und isolierte c-Doppelbauer konnte Weiß schon gut spielen. Die erste Zeitkontrolle kam schneller als gedacht, doch konnte Dennis diese Hürde knapp schaffen. In den nächsten 1,5 Stunden versuchte Dennis seine Stellung zu verbessern, doch auch vor der zweiten Zeitkontrolle schien noch kein Durchbruch in Sicht. In den letzten dreißig Minuten seiner Bedenkzeit musste er etwas finden, oder die Mannschaft würde verlieren. Mit aller Macht brachte Dennis seine Bauern nach vorne, drang mit einem Turm auf die Grundreihe und drohte einen Bauern zu gewinnen. Sein Gegner fand noch eine Parade und hielt den Bauern. Mit 3 Minuten auf der Uhr fand der Hamelner nun nicht mehr den richtigen Weg und stellte noch die Qualität ein. Der Rest war Schweigen.
3,0:5,0

Das war wieder ein bitteres Ende.

Mir fehlen noch ein wenig die Worte. Nur wenn wir die Tabelle umdrehen, sind wir Tabellenführer. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Nun kommt am nächsten Spieltag auch noch mit Salzgitter der Mitfavorit und tatsächliche Tabellenführer. Danach heißt es entweder wieder Hoffnung haben oder mit 0:6 Mannschaftspunkte den Kampf gegen den Abstieg beginnen. Ich bekomme schon ein mulmiges Gefühl in der Magengegend.

5 Kommentare

  1. …. was soll ich sagen …. ich war schon nach dem Ergebnis aus Runde 1 erschüttert ….
    Der Wunsch des Wiederaufstieges ist damit in weite weite Ferne gerückt und nur noch mit der Schützenhilfe der anderen Vereine zu schaffen, ein direkter Sieg gegen die Favoriten reicht allein nicht mehr.
    Den Schwarzen Peter wollen wir mal nicht an die Wand malen, Lutz…. das böse Wort mit „Ab…“ bleibt schön im Schrank…!

  2. Das war in der Tat wieder ein unnötiger Verlust. Aber ich bin guter Hoffnung, dass wir beim nächsten Kampf unsere Negativ-Serie beenden werden und zu alter Stärke finden. So geht das ja nicht weiter… Tssst.

  3. Auch ich nehme lebhaften Anteil an der schwierigen Lage unserer ersten Mannschaft und leide mit . Es ist so manches daran nicht zu verstehen: Yannik zum Beispiel spielt seit einem Jahr in der Vereinsmeisterschaft hervorragend und hat in diesem Jahr gute Aussichten, Vereinsmeister zu werden und trotzdem in der ersten Mannschaft jede Partie verloren. Kai spielte Anfang des Jahres sehr erfolgreich in der Landesmeisterschaft und hat plötzlich eine Formkrise. Auch Gerd und Dennis spielen in der 1.Mannschaft ein wenig unter ihrem Niveau. Bei einem Mannschaftskampf spielen immer auch Glück und Pech mit, aber das gleicht sich im Laufe einer Saison meistens aus. Aber seit einem Jahr geht es der 1. Mannschaft so, dass mit etwas mehr Pech als Glück am Ende Niederlagen herauskommen. In einer Firma oder beim Fußball (Werder!) würde man jetzt einen Motivationstrainer engagieren,um die Spieler in die Erfolgsspur zurückzuführen. Aus meiner langjährigen Erfahrung als Zeitnotspezialist möchte ich Kai und Dennis den Rat geben, sich mit dem Thema Zeitmanagement zu beschäftigen. Die Fähigkeit, in 2 Minuten 15 gute Züge zu finden, verliert man mit zunehmenden Alter – wenn man bis ins hohe Alter erfolgreich Schach spielen will, muss man lernen, extreme Zeitnotphasen zu vermeiden . Fragt mal den Gerd, der hat das auch geschafft!

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