Mit Bayerndusel schießt Hameln in der 95 Minute das Siegtor gegen Braunschweig

Aus der Gedankenwelt eines Schachspielers…

Beginnen tut ich diesmal mit einem Zitat vom Co-Trainer des Bayern München „Tiger“ Hermann Gerland: „Immer Glück ist Können.“ Doch drehen wir die Uhr ein paar Tage zurück. An diesem Spieltag hatten alle Mannschaften Ausfälle zu beklagen. So wie es aussah, würde nur die Erste komplett antreten. Das hatte ich in meinen 35 Jahren Spielzeit auch noch nicht so erlebt. Die beiden Mannschaftsführer der Ersten und Zweiten stecken ihre Köpfe zusammen und raus kam, dass uns diesmal „Lucky“ Leonid verstärken sollte. Unsere Gäste aus Braunschweig kamen sehr pünktlich, so dass der Wettkampf auch um 10 Uhr beginnen konnte. Ein Blick auf die Aufstellungskarte sagte mir, dass wir an fünf Brettern die DWZ-Oberhand besaßen. Doch wie sage ich es immer: „Die DWZ spielt kein Schach.“ So sollte ein sehr spannender Wettkampf beginnen.

Die Aufstellung lautete:

Hamelner SV – BS Gliesmarode
1 FM Bode, Wilfried (2295) – (2121) Barlag, Christoph
2 van Son, Lutz (2110) – 2143) FM Dr. Clemens, Christian
3 Renner, Kai (2077) – (2131) Horn, Matthias
4 Schmidt, Dennis (1969) – (2055) Dr. Nimtz, Manfred
5 FM David, Adrian (2168) – (1945) Dr. Cichy, Michael
6 Dr. Gerstmann, Frank (2086) – (1970) Hauernherm, Stefan
7 Koch, Yannick (1932) – (1955) Träger, Sven
8 Tilin, Leonid (1904) – (1882) Leitzke, Walther

Nach seinem letzten grausamen Spiel war Adrian wohl besonders motiviert gewesen und spielte eine sehr aktive Variante. Dabei positionierte er seine beiden Springer in der Nähe des gegnerischen Monarchen. Noch zwei Schwerfiguren und den Läufer aus der langen Diagonale und schon war der Angriffswirbel bereit. Alles sah sehr vielversprechend aus, doch statt den letzten Vorbereitungszug mit den Turm zu spielen, opferte Adrian zu früh seinen Läufer. Die Angriffschancen sahen optisch wirklich gut aus. Allerdings hatte der Verteidiger zweimal die Chance gehabt, den Angriff im Keim zu ersticken oder wie Fritz meinte -5 Bauerneinheiten. Doch ein wenig Glück gehört heute nun mal dazu und nach einem tollen Damen- und Turmopfer wurde der König mit zwei Springern Matt gesetzt.
1,0:0,0

Endlich kam ich wirklich gut aus der Eröffnung heraus und hatte Raum- und Entwicklungsvorteil gehabt. Ich stand so gut, dass ich sogar das Remisangebot ablehnen konnte. Also alles auf die schwachen Fehler gerichtet und schon entstand ein rückständiger Bauer, der mein erklärtes Angriffsziel wurde. Doch wie sollte ich den Angriff fortsetzen? Drei Möglichkeiten hatte ich – zwei davon würden mir weiteren Vorteil bringen, die letzte würde das Spiel verflachen lassen. Leider nahm ich Tür drei und nach dem sehr viel Material getauscht wurde, war kein Vorteil mehr zu erkennen. So einigten wir uns auf die Punkteteilung. Schade, da war mehr drin gewesen, hätte ich das Material auf dem Brett gelassen, hätte ich wohl den Bauern gewonnen.
1,5:0,5

Ein echtes Highlight spielt sich am Spitzenbrett ab. Nachdem die Eröffnungsphase durch war und beide Parteien sich ordentlich entwickelt hatte, nahm Wilfried den a-Bauern aufs Korn. Erst ein Turm, dann den nächsten Turm und zum Schluss noch den Läufer dazu. Die gegnerischen Streitkräfte nahmen eine sehr defensive Position ein. Dann schob Willi seine Bauern langsam nach vorne. So ungefähr stelle ich mir den Folterknecht bei der Inquisition vor. Die gegnerische Verteidigungsstellung wurde auf die Folterbank gelegt und gestreckt und gestreckt und gestreckt, bis alles gebrochen war. Auch Fritz hatte keine passende Antwort gefunden, daher ein sicherer Sieg für Hameln. Klasse gespielt.
2,5:0,5

Nach knapp drei Stunden Spielzeit sah der Spielstand ja schon mal sehr gut aus. Allerdings nicht die restlichen Stellungen. Yannick stand ausgeglichen, Dennis hatte einen schönen Angriff, aber sehr wenig Bedenkzeit. Frank, Leonid und Kai hatten schon Minusmaterial. Das würde wieder ein sehr enger Wettkampf werden.

Kai kam ganz gut aus der Eröffnung heraus und hatte schnell den Ausgleich erzielt. Nun hieß es die richtigen Pläne finden. Hier wurde der Hamelner dann böse auf den falschen Fuß erwischt und nach einem Läuferzug, verlor er die Qualität. Doch sein Gegner hatte dafür eine Menge Bedenkzeit verstreichen lassen. So spielte Kai weiterhin mutig auf Angriff und konnte noch einen Bauern gewinnen. Die Remisbreite war wieder erreicht worden. In einem wilden Handgemenge schaffte es Kai dann ein Endspiel mit 2 Läufer vs. 1 Turm zu erreichen, wobei der Gegner noch einen gefährlichen a-Freibauern hatte. Hier wurde dann Remis vereinbart. Tja, das war ein gutes Ergebnis, gerade wenn man bedenkt, dass Kai eine Zeitlang mit einer Minusqualität spielen musste.
3,0:1,0

Dennis hatte sich eine sehr schöne Eröffnung aufs Brett gezaubert und begann im Mittelspiel den Mattangriff langsam aufzubauen. Leider hatte Dennis dabei wenig Gespür für die richtige Zeiteinteilung. Ich denke so ab den 20 Zug musste er so mit 5 Minuten + Bonuszeit spielen. Das ist nicht gut. Dann opferte er sehr optimistisch eine Qualität und drückte kräftig gegen den König. Doch die Stellung wollte nicht brechen und sein Kontrahent konnte am Damenflügel durchbrechen. Da half auch kein Zappeln mehr, das Spiel war um. Auch eine verzweifelte letzte Attacke wurde abgewehrt. So musste Dennis die Hand reichen.
3,0:2,0

Wie üblich ließ sich Frank nicht lange bitten und übernahm sofort die Initiative. Mit Dame und Springer wurde der gegnerische König aufs Korn genommen. Doch die Verteidigung stand. Schlimmer noch, Frank übersah einen zweizügigen Figurenverlust und konnte nur noch einen Bauern dafür bekommen. Statt der Aufgabe griffen seine Streitkräfte noch mal den geschwächten Damenflügel an und ein weiterer Bauer wurde eingesteckt. Nun waren zwei Freibauern am Damenflügel entstanden die sich langsam nach vorne schoben. Nach einem Damenopfer schlug der Freibauer auf der vorletzten Reihe auf. Würde es zur Umwandlung reichen? Da beide Spieler in hochgradiger Zeitnot waren, konnte man den Ausgang nur erahnen. Der Gegner stellte Frank auf Matt und ein verhängnisvoller Turmeinschlag erwies sich als tödlicher Bumerang. Das Matt war danach nicht mehr zu verteidigen.
3,0:3,0

Nun kam es auf Yannick und Leonid an. Leonid hatte, wie auch immer, den Minusbauern wieder reingeholt, stand aber unter Dauerbeschuss der feindlichen Figuren. Und Yannick hatte ein besseres Endspiel auf dem Brett gezaubert. So wie beim letztes Spiel. Alle Ergebnisse waren möglich, wobei ich doch auf 1,5 Punkte für uns tippte.

Nun Leonid hatte eine gute Eröffnungsphase und setzte seinem Gegenüber unter Druck. Leider kam nichts Zählbares dabei raus und der Gegenschlag ließ nicht lange auf sich warten. Hier opferte oder verlor Leonid einen Bauern und hatte sein sprichwörtliches Glück, dass der Mehrbauer nicht einfach weiter nach vorne zog. Dann sähe die Stellung verdammt anrüchig aus. Doch so konnte der Bauer wieder zurückgewonnen werden. Auch wenn die Stellung nun ziemlich passiv war. Die beiden gegnerischen Läufer und Dame nahm seine Stellung unter Dauerfeuer. Nun hieß es die Stellung zu flicken und Geduld zu haben. Schließlich schaffte es Leonid, einen Läufer gegen den Springer zu tauschen und sogar seine Bauernkette zu vereinen. Das Endspiel Dame + Läufer war sogar minimal besser für ihn. Doch hier spielte der Hamelner zu passiv und ließ die gegnerische Dame in seine Stellung. Nun wurde allerdings die Remisklammer gesetzt und das Damendauerschach konnte der Gastspieler nicht mehr verhindern.
3,5:3,5

Nun war wieder die Stunde unseres Benjamins Yannick angebrochen. Wer so jung ist, ist noch voller Energie und Tatendrang. Die Eröffnung verlief recht ergebnislos, beide Seiten hatten sicher aktivere Möglichkeiten gehabt. Doch es passierte nicht sehr viel, bis endlich das Turmpaar und eine Leichtfigur getauscht wurden. Nun konnte Yannick seine Figuren eigentlich recht gut positionieren, allerdings unterliefen ihm zwei Fehler. Einmal hätte die gegnerische Dame in seine Stellung kommen und wie der Fuchs im Hühnerstall wildern können. Das andere Mal hing einfach der h-Bauer durch. Allerdings wurde beide Chancen nicht genutzt und das nun neu entstandene Endspiel wurde sehr gut von Yannick behandelt. Nach dem Damentausch stand sein König deutlich zentraler und so gelang es ihm einen Bauern zu gewinnen. Als dann noch gedroht wurde, den zweite Bauer zu gewinnen, gab sein Gegner auf.
4,5:3,5

Nun ja, das war zwar nicht ganz so schlimm wie gegen Göttingen, doch auch diesmal hatten wir wieder mehr Glück als unsere Gäste gehabt. Man sieht eindeutig, dass in unserer Liga noch sehr viel gepatzt wird und es wichtig ist den vorletzten Fehler zu machen. 😉 Da Hildesheim gegen unseren nächsten Gegner Lehrte ein 4:4 abgegeben hat, ist nur noch Wolfsburg mit 3 Minuspunkten direkter Kontrahent. Noch 4 MP aus den letzten drei Spielen und wir sind aufgestiegen. Allerdings warne ich Lehrte auf die leichte Schulter zu nehmen. Erst letztes Jahr haben sie uns ein Bein gestellt. Diesmal müssen wir es besser machen. 🙂

2 Kommentare

  1. „Immer Glück ist Können“ – naja. Ich erinnere an die letzte Saison in der wir uns oft vom Glück verlassen fühlten mussten nachdem wir viel mit 3,5 verloren haben. Nun wechselt es die Seiten

    1. Da hast du recht Yannick. In den Jahren davor, hatten wir so manche kuriose Niederlage bekommen. Jetzt sind wir wieder auf der Sonnenseite des Schachlebens. 😉

Schreibe einen Kommentar zu Lutz Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert