Letzte Titelchancen vertan – Hameln verschenkt den sicher geglaubten Sieg

Aus dem Tagebuch eines Mannschaftsführers…

Vor knapp 2 Jahren nach dem 7. Spieltag der Oberliga waren wir mit knapp 1,5 Beinen schon in der 2. Bundesliga und nun schaffen wir es nicht eine nominell schwächere Landesligamannschaft zu schlagen. Doch drehen wir wieder die Uhr um ein paar Tage zurück.

Leider konnte Adrian nicht am Wettkampf teilnehmen. So musste ich wieder zwei Spieler aus der zweiten Mannschaft rekrutieren. Die Wahl fiel wieder auf Igor und Peter, weil ich mir von ihnen die meisten Punkte versprach.

So holte ich Igor ab und fuhr zum Treffpunkt – hoppla, alle anderen Spieler waren schon da. Also schnell in die Autos und los ging die Reise. Sehr pünktlich erreichten wird das Spiellokal in dem Friedmar schon wartete. Perfekt – wir waren vollständig. Nach einer kurzen Begrüßung konnte der Wettkampf pünktlich um 10.00 Uhr beginnen.

Die Aufstellung lautete:

Hamelner SV – SF Hannover

1. Kiesel, Harald – Bode, Wilfried
2. Ledig, Elmar – Schirm, Friedmar
3. Celik, Abdullah – Renner, Kai
4. Riebe, Toralf – van Son, Lutz
5. Ehlert, Horst – Schmidt, Dennis
6. Schönfeld, Dietmar – Kaiser, Gerhard
7. Flohr, Carsten – Belov, Igor
8. Baumann, Eckhard – Brunotte, Peter

Nominell war mein Gegner stärker, Dennis hatte +70 DWZ, der Rest der Mannschaft brachte zwischen 200 und 300 DWZ-Punkte mehr auf die Waage. Da meinte schon der gegnerische Mannschaftsführer, dass mein Gegner nicht kommen würde. Na bravo! Da quält man sich Sonntags früh aus dem Bett, fährt eine Stunde Auto und gewinnt kampflos. Mist, gerade solche kampflosen Punkte auswärts sind nicht schön. Aber gut, wir lagen 1:0 vorne und hatten einen riesigen DWZ-Vorsprung. Was sollte da noch schief gehen? Doch wie sage ich immer: „DWZ-Zahlen spielen kein Schach.“ So sollte dieser historische Wettkampf beginnen.

Gerhard kam nicht optimal aus der Eröffnung und da seine Figuren am Damenflügel recht massiv standen, hatte er nur drei Bauern um seinen König zu verteidigen. So griff sein Gegenüber mit Dame, Springer und Läufer die Königsstellung an. Geschickt konnte Gerd diesen Angriff abwehren, verlor aber einen Bauern. Doch das war alles Berechnung, denn der Hamelner hatte noch zwei Züge weitergerechnet und startete einen tollen Gegenangriff, was ihm zwangsläufig den Rückgewinn des Bauern einbringen würde. Die Initiative war nun ganz auf Gerds Seite und schon konnte ich eine tolle Gewinnidee ausmachen. Lxh2+ Kxh2, Dh4+ Kg1, Sd4-f3+ gxf3, Dxc4: mit Damengewinn. Alternativ Lxh2+ Kh1, Dh4 droht Läufer beliebig und Matt auf der h-Linie. Da Gerd ein guter Angriffsspieler ist, war ich mir sicher, dass wir gleich mit 2:0 in Führung gehen sollten. Doch es kam anders – seine Dame zog zuerst nach h4 und drohte das Matt auf h2 und Sf3+ mit Damengewinn. Allerdings hatte Weiß mit f4 einen einfachen aber brillanten Verteidigungszug, der alle Drohungen auf einmal abwehrte. Das Material wurde getauscht und ein ausgeglichenes Doppelturm + Springer-Endspiel entstand. Nach einem Remisangebot musste ich abwägen: Gerd war wesentlich stärker, hatte allerdings bisher eine schlechte Serie gespielt. Daher wurde das Remis angenommen.
1,5:0,5

Die etwas andere Eröffnungswahl seines Gegners konnte Peter schnell nutzen, um mit Schwarz erst Ausgleich und dann ein etwas besseres Endspiel zu haben. Allerdings konnten die gegnerischen Streitkräfte Peters Freibauern blockieren und gewinnen. Das entstandene Springerendspiel war nicht einfach zu spielen, wurde aber recht schnell zum Verlust verdaddelt.
1,5:1,5

*Grummel* Das war so nicht vorgesehen. Aber wir standen auf den meisten anderen Bretter besser, bis deutlich besser. Da sollte es nicht auf einen halben Punkt ankommen. Friedmar hatte einen Bauern mehr, Wilfried, Igor und Kai standen schon besser. Nur Dennis hatte eine ausgeglichene Stellung. Ich war guter Hoffnungen, dass es noch einen hohen Sieg geben würde.

Eine Großmeisterpartie spielte Kai – zu mindestens nach seinen Worten hatten das etliche Großmeister schon gespielt. Eine kleine Eröffnungsungenauigkeit des Gegners nutzten seine Streitkräfte um zwei Freibauen am Damenflügel zu bilden. Dafür hatte Schwarz im Zentrum zwei Bauern mehr. Doch etwas an seiner Stellung gefiel mir nicht und spontan kam mir der Spruch „Springer am Rand bringt Kummer und Schand“ in den Sinn. Man kann diesen Spruch auch noch ein wenig erweitern. „Springer im Eck, ach du Schreck.“ 😉
Also den Springer auf a1 hätte ich vielleicht schon wieder früher ins Spiel gebracht. Doch da Kai wie üblich seine 5 Minuten hatte, also seine 5 Minuten für 15 Züge, kam es wie es kommen musste. Der gegnerische Angriff wurde unterschätzt und nach einem Läufereinschlag wurden alle drei Verteidigungsbauern vor dem König abgeräumt. Hier hatten wir Glück, dass der Gegner nur aufs Dauerschach ging. Wären die Zentrumsbauern nach vorne marschiert, ich glaube, das Spiel hätten wir verloren. Zu mindestens nach Fritz war das eindeutig.
2,0:2,0.

Friedmar’s Gegner hatte in der Eröffnungsphase einen Bauern geopfert, um mehr Spiel zu bekommen. Es sah trotzdem lange Zeit danach aus, als ob Friedmar das Spiel für sich entscheiden könnte. So gab er den Bauern zurück und es entstand ein wüstes Handgemenge. Ein Blick auf die Uhr ließ mich kurz an mein Herz greifen. 3 Minuten Restzeit für 15 Züge. Nein das kann doch nicht sein. Im Endspiel gewann Friedmar kurzzeitig einen Bauern, verlor ihn dann wieder, um zum Schluss in ein remises ungleichfeldriges Läuferendspiel zu gelangen. Da war nichts mehr zu holen und beide Spieler einigten sich auf Remis.
2,5:2,5

Nun musste es wieder Wilfried richten. Nach der Eröffnungsphase standen seine Streitkräfte sehr aktiv und besetzte die halboffene b-Linie. Die Klötze wurden geschickt rotiert und getauscht, bis ein klar besseres Turm/Leichtfigurendspiel entstanden war. Nach einem Bauerngewinn auf b7 und der richtigen Verteidigung konnte sein Gegner nur noch die Hand zur Gratulation reichen.
3,5:2,5

Gut, die Sache mit dem hohen Gewinn hatte ich schon abgehackt, nun hieß es einfach nur den Wettkampf zu gewinnen. Igor stand glatt auf Gewinn und Dennis hatte so seine Probleme mit der Partie. Oder besser gesagt mit dem kleinen Ding, das neben dem Brett stand und früher immer getickt hat.

Ein typischer Igor – würde ich mal sagen. Irgendwie erinnerte mich das an einen Rugby-Spiel.
Alles ein wenig durcheinander, die beiden Bauernwälle prallten auf der 4. und 5. Reihe aufeinander und dann wurde geschoben und geschoben und geschoben. Mit einen schönen Manöver konnte Igor als erstes seinem Gegner zwei Bauernschwächen verpassen und mit dem richtigen Springerzug beide Bauern gleichzeitig angreifen. Da war der Bauerngewinn leicht zu erzwingen. Hier kam nun vermutlich die erste Ungenauigkeit. Igor hatte die Möglichkeit, die Dame auf dem Brett zu halten oder abzutauschen. Ich hätte die Dame drauf gelassen, da der gegnerische Monarch etwas offener stand. Nach dem Damentausch konnte sein Gegner sich einen gedeckten Bauern basteln und drückte seine Streitkräfte zurück. Noch schlimmer, die gegnerischen Figuren übernahmen das Zepter und es drohten böse Einschläge. So opferte Igor eine Figur um die beiden gefährlichen Bauern zu beseitigen. Die Stellung war immer noch kritisch, doch dann zog der gegnerische König in einen einzügigen Abzug. Unglaublich! Igor konnte wieder einen Läufer gewinnen und der Sieg war in greifbarer Nähe. Nach dem Turmtausch entstand ein gewonnenes Endspiel Läufer + b, g und h-Bauer gegen Springer + g und h-Bauer. Was sollte nun noch schiefgehen? Der gegnerische König gewann den b-Bauern und griff nun den Lb1 an. Lxg6 hxg6, Kxg6 und der g und h-Bauer laufen einfach zum Gewinn durch, da der Springer nicht beide Bauern aufhalten kann. „Na dann haben wir ja unsere 4,5 Punkte.“ Dachte ich mir. Doch Igor wollte es schöner spielen und verzichtete auf Lxg6. Der Rest ist Schweigen – die Partie endete Remis. Unglaublich, aber wahr.
4,0:3,0

Nun lag die Last der Verantwortung auf den schmalen Schultern von Dennis. 30 Züge lang wurde nicht getauscht, verkeilten sich die Bauern am Königsflügel und Dennis investierte wieder viel Zeit, um den Dosenöffner zu finden. 5 Minuten für die restlichen 10 Züge und beide Seiten öffneten nun das Zentrum. Bei einer Ungenauigkeit verlor Dennis einen Bauern – da beide Spieler in hektischer Zeitnot waren wurde wie blöd geblitzt. Dabei stellte sein Gegner im 40. Zug einen Läufer ein. Leider war Dennis immer noch im Blitzmodus und ignorierte den Läufergewinn. Nach der Zeitkontrolle entstand ein nicht einfaches Mittelspiel, wobei der Gegner einen bösen Freibauern hatte. Immer hin waren es ungleichfeldrige Läufer, so dass die Remisbreite noch vorhanden war. Hier konnte Dennis wählen, volle Defensive – kontrollierte Defensive oder Angriff und versuchen auf die 8.Reihe mit seinen Schwerfiguren zu kommen.
Wieder investierte der Hamelner viel Zeit und entschied sich für die falsche Variante. Der Einbruch auf der 8.Reihe gelang nur dem Turm, die Dame wurde geschickt daran gehindert. Ein Verzweiflungsopfer sollte noch mal die Wende bringen. Doch sein Gegner konnte alle Drohungen abwenden und gewann die Partie.

Schmidt_gegen_Ehlert_20150201
Eine Schlüsselstellung in der Partie von Dennis. Interessant ist in dieser Stellung 32. Sxf6 mit der Idee nach Kxf6 f4 zu spielen. Leider in Zeitnot nicht gesehen und 3 Züge später unnötig einen Bauern eingestellt – Sc8, Sd6, Sxc4.

4,0:4,0

Ich sage dazu nichts mehr. Ich bin einfach nur baff. Nur gut, dass ich zuhause noch eine schöne gute 1,5l Captain Morgan-Flasche hatte. Vielleicht sollte ich Captain Morgan nächstes Mal zum Wettkampf mitbringen und an unser Team ausschenken. 😉

8 Kommentare

  1. Danke für den Bericht, bei euch ist ja echt der Wurm drin…
    Den Einschlag auf f6 blicke ich noch nicht ganz:
    Sxf6 Kxf6 / f4 gxf4 / Lxf4 Td4 / Lxe5+ Dxe5 / Txe5 Kxe5
    oder wie sollte die Abwicklung aussehen?
    Schwarz hätte dann Turm und 2 Figuren für Dame und 2 Bauern.
    Würde dies vorteilhafter für Schwarz empfinden…

  2. Ja, so soll die Abwicklung aussehen. Mit dem offenen König sollte Weiß gutes Spiel haben, sicherlich ist es nicht einfach. Beispiel (nach deinen Zügen): Te1+ Kf6, De2. War aber auch nur eine Idee. In der Stellung hab ich sonst keinerlei Probleme, wenn ich nicht den Bauern einstelle. Eine andere Idee könnte a4 > a5 sein und am Damenflügel zu spielen.

  3. Ja, das hab ich schon gesehen. Meine Idee war nach Lxc4 De5+ Kf7 und f6 zu spielen. Das sieht streng aus, sicherlich noch immer nicht einfach. Auf Kd6 kommt meiner Meinung nach einfach Da3 und ich versuche mit den Bauer zu laufen, die ich dir wegnehmen werde… Wenn ich nicht vorher anderweitig gewinne. 😉

  4. Hmmm, hatte eher das gegenteilige Gefühl, schwarz kontrolliert nahezu alle wichtigen Felder, sein Nachteil ist nur, dass einige Klötze noch verdammt schlecht stehen. Für weiß sehe ich nichts konkretes und wenn die Figuren von Schwarz anfangen zu spielen, muss weiß sich vermutlich ganz warm anziehen.
    Ist vermutlich Geschmacksache.
    Grundsätzlich strebt man in Zeitnot ja einfach zu spielende Stellungen an, sprich 34. Sxd6 … 35. Le4 und schwarz kann sich auf den Kopf stellen und wird es nicht mehr gewinnen können….

Schreibe einen Kommentar zu Olli Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert